arten|pisa 2017
Wer kennt eigentlich welche Arten? Haben „ältere Semester“ ein größeres Artenwissen als junge Menschen? Antworten auf Fragen wie diese zu finden, war das Ziel der Umfrage arten|pisa 2017. Durchgeführt wurde sie von NABU|naturgucker (damals naturgucker.de) gemeinsam mit dem → NABU und dem → Kompetenzzentrum Kulturlandschaft (KULT) an der Hochschule Geisenheim University.
Ins Leben gerufen wurde die Aktion, weil uns seinerzeit aufgefallen war, dass es keine verlässlichen Daten zum Artenwissen der breiten Bevölkerung über verschiedene Artengruppen gab. Lediglich punktuell wurde in jüngster Vergangenheit beispielsweise die Vogelkenntnisse von Schüler*innen oder deren Wissen zum Thema Tiere des Waldes untersucht. Demnach wurden nur kleine Sparten aus dem Spektrum der Tier-, Pflanzen- und Pilzarten abgefragt und die meisten Studien konzentrierten sich auf Kinder sowie Jugendliche.
Einer der Gründe dafür dürfte sein, dass häufig angenommen wird, die jungen Menschen verfügen über ein geringeres Artenwissen als die Menschen früherer Generationen. Doch dazu gibt es keine entsprechenden breit aufgestellten Studienergebnisse aus der Vergangenheit. Und es hat unseres Wissens bisher niemand überprüft, ob die Menschen, die heute in der Lebensmitte stehen oder bereits zu den „Best Agern“ gehören, tatsächlich über umfangreicheres Artenwissen verfügen als junge Menschen. Für uns war das der gedankliche Anstoß, mit arten|pisa 2017 den Grundstock für eine solide aktuelle Datenbasis zu legen.
Im Folgenden informieren wir Sie über die Umfrage und einige Ergebnisse der Befragung arten|pisa 2017.
Die Eckdaten
Abgefragt wurde das Artenwissen in Form einer anonymisierten Online-Umfrage. Diese fand vom 2. bis zum 10. September 2017 statt. Alle Interessierten konnten sich beteiligen, es gab keinerlei Grundvoraussetzungen wie etwa eine Alters- oder Wissensbeschränkung.
Teilgenommen haben 8 033 Menschen, was uns sehr gefreut hat – wir hatten im Vorfeld nicht mit einer derart großen Resonanz gerechnet! Unter anderem war die hohe Zahl der Teilnehmer*innen darauf zurückzuführen, dass neben NABU|naturgucker auch der NABU sowie der ArtenFinder Rheinland-Pfalz kräftig die Werbetrommel gerührt haben.
Das Artenwissen wurde mithilfe eines bebilderten Online-Formulars mit 36 Fragen zu Arten aus 10 Artengruppen erfasst, → siehe unten. Hierbei lautete die Aufgabenstellung, die auf den Fotos gezeigten Arten zu benennen.
Flankiert wurden diese beiden Teilbereiche durch einige soziodemografische Fragen, zum Beispiel nach Alter und Geschlecht.
Wer dies wünschte, konnte auf freiwilliger Basis eine E-Mail-Adresse angeben, um nach dem Abschluss der Bewertungsphase seine persönlichen Ergebnisse zu erfahren.
Einige Teilnehmende haben Fragen an uns in das Umfrage-Formular geschrieben, aber keine E-Mail-Adresse angegeben. Diesen Menschen konnten wir mangels Kontaktmöglichkeit leider keine Antworten schicken.
Die 36 Artfragen
In der arten|pisa-Umfrage 2017 wurden den Teilnehmer*innen 36 Fotos von Arten aus 7 Artengruppen gezeigt, zu denen sie in einem Freitextfeld aufschreiben sollten, wie diese ihrer Ansicht nach heißen. Dabei stammten die Fotos aus folgenden Artengruppen:
- Vögel: 6 Fragen
- Pflanzen: 6 Fragen
- Schmetterlinge: 6 Fragen
- Libellen: 6 Fragen
- Käfer: 6 Fragen
- Sonstige Insekten (Heuschrecken, Wanzen etc.): 5 Fragen
- Spinnentiere: 1 Frage
Innerhalb der Blöcke Vögel, Pflanzen, Schmetterlinge, Libellen, Käfer sowie Sonstige Insekten/Spinnentiere gab es jeweils leichte, mittelschwere und schwierige Fragen. Gebildet wurden diese Kategorien basierend auf unseren umfangreichen Erfahrungswerten mit Bestimmungshilfeanfragen und Artverwechslungen, die auf unserem Meldeportal für Naturbeobachtungen nachzulesen sind.
Bei den Blöcken mit drei Fragen gab es je eine leichte, mittelschwere und schwierige Frage, bei den Blöcken mit 6 Fragen waren es je zwei leichte, mittelschwere und schwierige Aufgaben. Die Spinnentierfrage war als schwierig eingestuft, im Block „Sonstige Insekten“ gab es je zwei leichte und mittelschwere Artfragen und eine schwierige Frage.
Die Bewertung der Artfragen
Den Initiatoren der arten|pisa-Umfrage 2017 ging es darum, Einblicke in das Artenwissen zu erhalten, wobei auch artungenaues Wissen honoriert wurde. Das heißt, wer beispielsweise die Hainschwebfliege nicht namentlich benennen konnte, jedoch angeben konnte, dass es sich um eine Fliege handelt, erhielt einige Punkte.
Es wurde bei den meisten Fragen wie folgt bewertet:
10 Punkte = vollständig richtige Antwort
7 Punkte = teilweise richtige Antwort in bestimmter Qualitätsstufe
5 Punkte = teilweise richtige Antwort in bestimmter Qualitätsstufe
3 Punkte = teilweise richtige Antwort in bestimmter Qualitätsstufe
0 Punkte = falsche oder keine Antwort
Wir haben alle Antworten intensiv geprüft und bei offensichtlichen Schreibfehlern jeweils dieselbe Punktzahl vergeben wie für die entsprechende richtige Schreibweise. Ein Beispiel: Hat jemand Rheinfarn statt Rainfarn geschrieben, gab es trotzdem die vollen 10 Punkte für die inhaltlich korrekte Antwort.
Es konnten demnach maximal 360 Punkte erreicht werden.
Hinweis: Den umfassenden Bewertungsschlüssel finden Sie in → diesem PDF-Dokument.
Die Ergebnisse aller Teilnehmer*innen
An der Umfrage haben sich 8 033 Personen beteiligt.
Die Höchstpunktzahl (360) haben 3 Teilnehmende erreicht.
Bei 6 Punkten lag die niedrigste erreichte Leistung, dies betraf einen Teilnehmenden.
Der Punktedurchschnitt über alle Teilnehmer*innen betrug 177 (≙ rund 49 % der Gesamtpunktzahl).
Bei der näheren Betrachtung der unterschiedlichen Alterssegmente fiel auf, dass die älteren Teilnehmenden geringfügig besser abgeschnitten haben (Durchschnittspunkte 187) als die jüngeren (Durchschnittspunkte 155).
Nicht alle Antwortenden haben Angaben zu ihrem Geschlecht gemacht. Von den 8 033 eingegangenen Rückmeldungen konnten 7 841 (98 %) hinsichtlich dieser Fragestellung ausgewertet werden. Das Geschlechterverhältnis der Teilnehmer*innen war demzufolge:
Weiblich: 63% (n = 4 970)
Männlich: 36 % (n = 2 835)
Divers: 1 % (n = 36)
Einen nennenswerten Wissensunterschied zwischen den Geschlechtern konnten wir nicht feststellen.
Die Ergebnisse bezüglich der Arten
Eines der wohl interessantesten Ergebnisse der arten|pisa-Befragung 2017 ist, dass obgleich sie einer prägnanten Artengruppe angehören, die abgefragten Libellen zahlreichen Teilnehmenden nicht bekannt waren. Viel mehr noch: Es wurde auf die Libellenfragen, die in Bezug auf ihre Anzahl genauso stark vertreten waren wie die der meisten anderen Artengruppen, regelrecht empfindlich reagiert. Das spiegelte sich deutlich in Kommentaren wie „Echt jetzt? Noch eine Libelle?“ wider.
Die Top 5 der besonders häufig richtig benannten Arten und damit die wohl bekanntesten Arten aus dem Umfrage-Set waren:
1. Rotkehlchen (erwachsen) – 7 674 korrekte Nennungen
2. Gänseblümchen – 7 481 korrekte Nennungen
3. Hirschkäfer – 7 179 korrekte Nennungen
4. Eiche – 7 154 korrekte Nennungen
5. Tagpfauenauge – 7 031 korrekte Nennungen
Daraus zu schließen, dass das Rotkehlchen insgesamt eine besonders gut bekannte Art ist, wäre aber falsch. In der Fotosammlung gab es neben dem Bild eines erwachsenen Rotkehlchens auch noch eines, das ein junges, noch nicht ausgefärbtes Rotkehlchen zeigt (Foto Nr. 36). Dieser Vogel wurde obendrein in einer Körperhaltung fotografiert, die bei flüchtiger Betrachtung an einen Zaunkönig erinnern konnte. Fast drei Viertel der Teilnehmenden hat als Antwort dabei tatsächlich „Zaunkönig“ notiert, lediglich 364 Personen haben das Tier richtig als Rotkehlchen benannt.
Bei der Betrachtung der durchschnittlichen Punktzahlen (min. 0, max. 10) für die einzelnen Artfragen aufgeschlüsselt nach Artengruppen ergab sich folgende Reihenfolge, innerhalb derer sich auch die eingangs erwähnte „Libellenproblematik“ verdeutlicht:
1. Vögel mit durchschnittlich 5,9 Punkten pro Frage
Käfer mit durchschnittlich 5,9 Punkten pro Frage
3. Pflanzen mit durchschnittlich 5,1 Punkten pro Frage
4. Schmetterlinge mit durchschnittlich 4,6 Punkten pro Frage
Sonstige Insekten/Spinnentiere mit durchschnittlich 4,6 Punkten pro Frage
6. Libellen mit durchschnittlich 3,4 Punkten pro Frage
Weiterführende Informationen
Hintergründe zur Auswertung und Umfrage an sich sowie zu den Lösungen der 36 Artenfragen bieten wir im NABU|naturgucker-Journal:
→ Hintergrundartikel über arten|pisa 2017 mit allen Artenfragen-Lösungen
Am 17. Februar 2018 hielt Gaby Schulemann-Maier auf der NABU|naturgucker-Tagung in Stockstadt am Rhein einen Vortrag, der erste Einblicke in die Auswertung der Daten gab. Die Vortragspräsentation können Sie hier herunterladen:
→ arten|pisa: erste Ergebnisse der Umfrage zum Artenwissen
Später im Jahr 2018 ist außerdem ein Fachartikel von Gaby Schulemann-Maier und Stefan Munzinger in der Zeitschrift Naturschutz und Landschaftsplanung erschienen, der die Ergebnisse der arten|pisa-Untersuchung vorstellt: